Donnerstag, 28. Juli 2016

Laser-Mädchen weisen die Jungs in die Schranken

Während sich am fünften Regatta-Tag der Travemünder Woche die Polit-Prominenz beim Kampf um eine Sechs-Liter-Flasche Rotspon in der Trave duellierte, ging es auf den Bahnen in der Lübecker Bucht um Titel und wichtige Punkte bei den Meisterschaften. Im Fokus standen dabei am Mittwoch die Laser-Jugendlichen, die ihr Finale der Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften erlebten.
Julia Büsselberg (Foto oben) holte sich den Titel bei den Laser 4.7. Foto: © segel-bilder.de
Die jungen Frauen verwiesen dabei die männliche Konkurrenz auf die Plätze. Hannah Anderssohn aus Kiel holte sich den Titel bei den Laser Radial, Julia Büsselberg (Berlin) triumphierte bei den Laser 4.7. Die Segler der RS- und Splash-Klassen holten in ihrem Meisterschaftsprogramm kräftig auf und segelten zwischen drei und vier Wettfahrten.

Laser Radial IDJM

Auf dem Weg zur Jugend-Europameisterschaft der Laser Radial in der kommenden Woche vor Tallin/Estland ist Hannah Anderssohn bestens in Fahrt. Die Warnemünderin, die vor einem Jahr nach Schilksee ins Internat gezogen ist, empfiehlt sich mit dem Gewinn der Deutschen Jugendmeisterschaft für die kontinentalen Titelkämpfe auf dem Olympia-Revier von 1980. Dabei hatte die 16-Jährige in den vergangenen Wochen eine langwierige Handverletzung zu überstehen, konnte zur Kieler Woche und zur Warnemünder Woche nicht starten. In Travemünde war der Gips wieder ab und Hannah Anderssohn nach einem mäßigen ersten Tag von allen Lasten befreit. Mit vier Siegen in Folge stand sie bereits vor dem letzten Rennen als Meisterin fest und konnte sich zum Abschluss einen elften Platz erlauben. Damit hatte sie immer noch 24 Punkte Vorsprung vor Leonhard Harnisch (Detmold), der sich knapp gegen Paul Bothe (Loose) durchsetzen konnte.
Hannah Anderssohn war top bei den Laser Radial. Foto: © segel-bilder.de
„Es lief alles perfekt. Aber der Wind heute war sehr drehend und schwierig. Für mich war die Travemünder Woche das richtige Warm-Up für die EM in Tallin. Auch da will ich gern ganz vorn landen“, so die junge Erfolgsathletin, die im vergangenen Winter mit dem zweiten Platz bei den Youth Worlds für die einzige deutsche Medaille bei diesen Segel-Wettbewerben der Jugend nach olympischen Vorbild gesorgt hatte. Die gesonderte U17-Wertung bei der IDJM gewann die Kielerin Laura Schewe. Hannah Anderssohn ist in dieser Wertung nicht mehr dabei, da sie noch in diesem Jahr 17 wird.

Laser 4.7 IDJM

Auch bei den 4.7-Athleten gab es einen Sieg der Favoritin. Julia Büsselberg aus Berlin hat sich im vergangenen Jahr an die deutsche Spitze dieser Klasse vorgearbeitet, segelte 2015 zur IDJM auf Platz drei und toppte dieses Ergebnis nun mit dem Titelgewinn vor Julian Hoffmann (Blaichach) und Jaard Paulsen (Kiel). Die Serie der 16-Jährigen, die schon zur Kieler Woche ihre hohen Ambitionen auf den Titelgewinn kundgetan hatte, war beeindruckend. Mit vier Siegen, zwei zweiten Plätzen und einem dritten Rang war sie bei den schwierigen Winden in den vergangenen Tagen stets im Bilde. Dennoch hatte sie mit Julian Hoffmann, der wie Deutschlands große Olympia-Hoffnung Philipp Buhl vom SCAI aus dem Allgäu stammt, einen harten Konkurrenten, der sich lediglich mit einem Abstand von fünf Punkten geschlagen geben musste. In der U16-Wertung konnte sich Hoffmann mit dem Titelgewinn trösten. „Das war ein anstrengender Wettbewerb. Nach zwei Tagen lagen Julian und ich genau gleich auf, deshalb war heute noch alles offen. Aber es lief sehr gut, ich habe die Böen und Dreher immer richtig erwischt“, berichtete Julia Büsselberg. Bei dem ablandigen Wind habe sie sich als Binnensee-Segler fast wie zu Hause gefühlt.

Die deutsche Spitze reist nun direkt weiter zur Jugend-Weltmeisterschaft, die bereits ab dem Wochenende vor Kiel ausgetragen wird. „Als Ziel habe ich mir eine Top-5- bzw. Top-3-Platzierung gesetzt. Und ich habe auch Ambitionen auf den Titel. Zur Kieler Woche waren schon viele WM-Teilnehmer dabei, um sich auf das Revier einzustellen. Und da lief es sehr gut.“

Laser Standard
Die Laser Standard hatten am Mittwoch zwar schon ihren zweiten Tag bei der Travemünder Woche, segelten aber jetzt erst die ersten Wettfahrten ein. Das dann aber gleich im großen Umfang. Nach vier Rennen ihrer Ranglisten-Regatta liegt der unter Hongkong-Flagge fahrende Gerald Williams an der Spitze vor Philipp Roitsch und Eric Malach (beide Hamburg).

RS 500 WM
In der RS-500-Klasse halten sich die Schweden Martin und Axel Johansson weiter an der Spitze, ihr Vorsprung vor den Niederländern Pim und Lisa van Vugt ist allerdings nur minimal. Dennoch zollte Christian Brandt (Hamburg), der auf Rang 18 mit Thomas Stepan bester Deutscher ist, den Schweden hohen Respekt: „Die Schweden sind echt schnell und machen kaum Fehler.“ Er selbst hat mit einer Frühstart-Disqualifikation dagegen einen dicken Fehler in der Liste: „Das war eigene Dummheit. Aber so etwas habe ich noch nie gehabt, jetzt ist das erledigt.“ Daneben gelangen dem deutschen Duo aber auch einige Top-Resultate: „Einmal waren wir Erster an der Luvtonne, das war sehr erfrischend. Dass wir das nicht halten können, war uns klar. Platz vier war aber echt klasse. Man ist in diesem Feld eben nur vorn, wenn man am Start gut dabei ist.“

RS 200 Gold Cup
Bei den etwas kleineren RS 200 wird mit dem Gold Cup die inoffizielle Weltmeisterschaft ausgetragen, die tatsächlich eine rein britische Angelegenheit ist. An der Spitze der 13 Teams stehen nach fünf Wettfahrten mit vier Siegen Josh Metcalfe/Mille Alcock.

RS 100 EM

Ein kleines, aber feines Feld segelt auch bei den RS 100 – internationaler geprägt als die RS 200, aber an der Spitze ebenso britisch dominiert. Mark Harrison führt nach sechs Wettfahrten das Spitzentrio von der Insel an.

RS 400 EM
Auch die Gennaker-Boote der RS 400 leiden unter dem Mangel an internationaler Konkurrenz. Mit lediglich einem niederländischen Team im Feld wirkt die Europameisterschaft wie in nationaler Titelkampf der Briten. Steve Restall/Chris Stubbs stehen aktuell an der Spitze.

RS Aero EM
Den Ruf, eine internationale Meisterschaft auszutragen, haben sich die RS Aero dagegen redlich verdient. Teilnehmer aus neun Nationen sind am Start, und auch bei den Verkaufszahlen hat sich die junge Klasse weit über die Grenzen ihres britischen Ursprungs hinaus verbreitet. In nur zwei Jahren wurden 1200 Boote in 45 Länder verkauft. Die stärksten Nationen in der Masse sind die USA, Australien und Deutschland. An der EM-Spitze sind aber vor allem die baltischen und russischen Segler zu finden. „Das sind starke Laser-Segler, die auch mal mit Olympia liebäugeln“, sagt Christian Brandt, der in Deutschland die RS-Klassen als Händler vertreibt. Der Russe Dmitry Tretyakov bleibt an der Spitze der Aero 7, obwohl er nachträglich die Rennverklarung in der ersten Wettfahrt zurückgezogen hat. Erste Verfolger sind Kristo Ounap (Estland) und Simonas Jersovas (Litauen). Bester Deutscher unter 36 Startern ist Marcus Walther (Langen) auf Rang elf. Bei den Aero 5 liegt Archie Hainsworth vorn, bei den Aero 9 Richard Watsham (beide Großbritannien).

Splash-Klassen: Bunte Truppe auf der Tornadowiese
Splash-Klasse
Wer das Areal der Splash-Klasse betritt, fühlt sich in die Niederlande versetzt: Die Mehrzahl der Starter im Euro Cup der Splash Red und der WM der Splash Blue sind aus dem Nachbarland angereist. Das Geschehen an der Spitze jedoch wird von einem Schweizer und einem Tschechen beherrscht.

Zwischen Trave, Riesenrad und Crêpe-Stand haben die Segler der Splash Red und Splash Blue ihr Quartier aufgeschlagen. 100 bunte Jollen werden jeden Morgen über die Sliprampe ins Wasser gelassen. Die Red-Flotte (14 Boote aus vier Nationen) kürt den Europameister, die Splash Blue, der 12- bis 21-Jährigen, ihren Weltmeister. Von insgesamt 88 Startern segeln 83 für Oranje – quasi eine holländische Meisterschaft an der Ostsee.

Keine Überraschung: Die weltweit knapp 2.000 Boote sind alle in Holland gebaut, seit 36 Monaten in der Yachtwerf Heeg in Friesland. Werftchef Geert Wijma ist in Travemünde selbst vor Ort und hat in seinem Bus alles dabei, was ein Splash-Segler so braucht – von Bolzen über Umlenker bis hin zu Reparaturspachtel. Ersatzmasten und drei neue Boote liegen auf einem Trailer bereit. „Wir waren mit der WM im Vorjahr in Barcelona, jetzt wollen wir in Travemünde Werbung für unsere Klasse machen“, erzählt Wijma. Für ihn ist die Splash Blue das ideale Boot für den Umstieg aus dem Optimisten. Kürzer und leichter als der Laser, mit zwei Ausreitgurten und großem Cockpit ist es für Kids ab 45 Kilo gut segelbar. Die Red mit ihrem ausgestellten Segel-Topp und den größeren Laminatsegeln hat kein Alterslimit.

In den Niederlanden werden die Splash auch als Unterbau für die olympischen Klassen gesehen und in verschiedenen Talent-Trainingsgruppen entsprechend unterstützt.

Trotz ihrer großen zahlenmäßigen Dominanz liegen an der Spitze beider Klassen am dritten Tag der Meisterschaften jedoch keine Niederländer. In der Splash Blue führt der Tscheche Michal Kostyo, gefolgt von Friso Wilkens und Linn Van Aanholt aus dem „Team Oranje“. Die einzige deutsche Starterin bei den Splash Blue, Annika Korn vom Seglerverein Speichersee Emsland, bildet zurzeit das Schlusslicht der Ergebnisliste. In Deutschland führt die Bootsklasse bislang nur ein Nischendasein.

Besser sieht es aus deutscher Sicht in der Klasse der Splash Red aus. Hier liegt der Borkener Daniel Kipp zurzeit auf dem siebten Platz und hat gute Chancen, noch einige Plätze weiter nach vorn zu segeln. Ganz vorne an der Spitze fährt jedoch Matthias Meier ein einsames Rennen: Der Schweizer hat in sieben Rennen bisher sechs erste und einen zweiten Platz eingefahren. Die leichten Bedingungen kämen ihm entgegen, sagt der 24-Jährige, mit 55 Kilogramm ein echtes Leichtgewicht.

Die Rennen der Splash-Klasse auf die Bahn zu bringen, gestaltete sich für das Wettfahrtleiterteam bislang als echte Herkulesaufgabe: Leichte, drehende Wind, die immer wieder zusammenbrachen, machten so manche Startverschiebung und Bahnverlegung nötig. „Der Wind ist unberechenbar, das ist zur Zeit leider die einzige Konstante“, sagte Anderl Denecke, heute auf dem SAP Media Race Course zuständig für die Splash Red.

Bis Samstag segeln beide Bootsklassen noch ihre Meisterschaften. Die Windbedingungen versprechen besser zu werden; zumindest der Freitag dürfte die Seglerinnen und Segler für die vergangenen Tage entschädigen. Bericht: Ralf Abratis, Travemünder Woche.