Kaum ist die Nordostpassage entlang der Arktis unter Segeln ohne Halt bezwungen, jagt der Hamburger Hochseesegler Boris Herrmann einen neuen, noch prestigeträchtigeren Rekord. Es geht um die berühmte Jules Verne Trophy – nonstop rund um die Welt.
Diesmal gehört der Weltklasse-Navigator zu einer sechsköpfigen Crew um den französischen Skipper Francis Joyon, die am Mittwoch (14. Oktober) in La Trinité-sur-Mer vorgestellt wurde. Das Team will in weniger als 45 Tagen den Globus umrunden. Ab Anfang November steht der 31,50 Meter lange Trimaran „IDEC Sport“ auf Stand-by, um je nach Windvorhersage am Ausgang des englischen Kanals zu starten.
„Es gibt vielleicht eine Handvoll ungekrönter Königsdisziplinen im Hochseeyachtsport, diese gehört ganz sicher dazu“, beschreibt Herrmann die Hatz um die Erde, die schon lange keine 80 Tage mehr dauert, so wie es Jules Verne dereinst in seinem Roman als magische Grenze auserkor. Seit 1990 stehen die klaren, knappen Regeln der Jules Verne Trophy, die nicht viel mehr als Start- und Ziellinie definieren, sowie das Australien an Backbord (links) liegen gelassen werden muss. Je nachdem, wie dicht die Route an der Eisgrenze um die Antarktis herum möglich sein wird, sind rund 24.000 Seemeilen, also fast 45.000 Kilometer zurück zu legen.
Das Schiff für die Jules-Verne-Trophy ist keine Unbekannte
Für den geborenen Oldenburger wird das Abenteuer ein Wiedersehen mit der „Lending Club 2“, denn so hieß das Schiff zuvor. Mit ihm hatte Boris Herrmann in diesem Jahr unter anderem den Trans-Pazifik-Rekord von Los Angeles nach Hawaii gebrochen.
Auch wenn der Trimaran für die Jules Verne Trophy bei der Werft „Multiplast“ in Vannes getunt wurde, sei es doch „ein bekanntes Heimspiel mit vielen Vorteilen“. Der 22,50 Meter breite Dreirümpfer wurde 2006 nach den Zeichnungen des führenden französischen Designteams VPLP gebaut. Mit 411 Quadratmetern Segelfläche am Wind und 678 m² vor dem Wind erreicht er Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 40 Knoten (fast 80 km/h).
Unter Deck ist das Leben wie auf allen Rennziegen ausgesprochen spartanisch. Die Crew schläft abwechselnd in kurzen Abschnitten auf Rohrkojen. Gefriergetrocknete Trekkingmahlzeiten werden mit entsalzenem Seewasser aufgekocht. Privatsphäre gibt es praktisch keine.
„Wir sind jede Woche sieben Tage 24 Stunden lang im Wettkampfmodus“, so der Wahl-Hamburger vom Kieler Yacht-Club, der schon zwei Weltregatten auf dem Kerbholz hat. 2009 gewann er mit Felix Oehme das Portimão Global Ocean Race auf einem Class 40 in Etappen um die Welt; 2012 wurde er mit Ryan Breymeier auf dem IMOCA Open 60 „Neutrogena“ Fünfter des Barcelona World Race nonstop.
Zwei Trimarane kämpfen um den Rekord
Die aktuelle Bestmarke der Jules Vernes Trophy steht bei 45 Tagen, 13 Stunden, 42 Minuten und 53 Sekunden. Aufgestellt wurde sie 2012 von Loïck Peyron mit der „Banque Populaire V“, ebenfalls ein Dreirumpfboot. Unter neuem Namen „Spindrift“ und Skipper Yann Guichard tritt es parallel zur „IDEC Sport“ an, den eigenen Rekord zu verbessern. Der mit 140 Fuß (ca. 40 Meter) deutlich längere Tri ist mit 28 Tonnen zehn schwerer und wird mit zwölf Mann gesegelt. Welches Konzept das schnellere sein dürfte, spaltet selbst die Fachwelt.
„Wir setzen auf eine hohe Geschwindigkeit auch bei mäßigen und schwächeren Winden, die es zwischendurch immer mal gibt“, erklärt der 34-Jährige Herrmann, „und haben das Boot so leicht wie möglich ausgestattet.“ Die „IDEC Sport“ wird mit einem kleineren 33,50-Meter-Rigg (kürzerer Mast) segeln als 2010. Damals hatte Franck Cammas mit demselben Boot unter dem Namen „Groupama 3“ den Jules-Verne-Rekord auf gut 48 Tage heruntergeschraubt. Ein spezielles, neu designtes Am-Wind-Segel (Code 0) soll der Schlüssel zum Erfolg werden.
Nur fünf Mann gehen einen dreistündigen Wachrhythmus. Der Skipper ist wachfrei. Alle müssen steuern, trimmen und Segel wechseln. Herrmann: „Das ist hart, sehr hart sogar, aber durchtrainiert.“ Neben dem Deutschen sind der beste Schweizer Hochseesegler Bernhard Stamm, der Top-Spanier Alex Pella sowie zwei weitere, hochambitionierte Franzosen mit an Bord. Skipper Francis Joyon hält mit 57,5 Tagen den Solo-Weltrekord nonstop um die Welt. Er setzt bei seinem nächsten Rekordversuch auf „einen der besten Navigatoren, die es gibt“. Boris Herrmann hatte erst im September mit dem Trimaran „Qingdao China“ unter Skipper Guo Chuan als Erster überhaupt die Nordostpassage nonstop unter Segeln bezwungen.
Bericht: Andreas Kling.